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Professor Bert Fragner 75. születésnapja alkalmával, 2016 November 28-án Bécsben tartott tartott laudáció szövege. Professor Fragner éveken át segítette az Iranisztikai Tanszék munkáját, elsősorban a doktori hallgatók képzését.

FESTAKADEMIE anlässlich des 75. Geburtstages von Univ.-Prof. Dr. Bert Fragner, Montag, 28. November 2016, 16.00 Uhr, Festsaal der Diplomatischen Akademie, 1040 Wien, Favoritenstraße 15a

Organisation: Österreichische Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall in Zusammenarbeit mit dem Institut für Iranistik, ÖAW

 

Iranforschung – der Persophonie auf der Spur, 28. November 2016

 

 

Éva M. Jeremiás (Budapest):

Vor und nach der Persophonie

Lieber Jubilar!

Liebe Anwesende!

 

„In diesem Vortrag möchte ich die Fragen behandeln, die mich im letzten Jahrzehnt beschäftigt haben, und in deren Erforschung meine Arbeit die tiefen Spuren meiner Beziehungen zu Bamberg trägt.“

Mit diesem Satz habe ich die Begrüßung des Jubilars vor fünfzehn Jahren am 24. November in Bamberg begonnen, als ich meinem Beitrag unter dem Titel Persophonie und Grammatik (Curriculum vitarum)vorgelesen habe. Dann habe ich folgendermaßen fortgesetzt:

 

„Wie die erste Hälfte des Titels (Die „Persophonie“:Regionalität, Identität und Sprachkontakt in der Geschichte Asiens, Halle – Berlin 1999) auf die Forschungen des Gefeierten hinweist, so bezieht sich die zweite Hälfte (Grammatik) auf meine Forschungen auf dem Gebiet der Grammatik, im engeren Sinne auf dem Gebiet des grammatischen Denkens der Perser.“

Wenn ich den Themenkreis meines Bamberger Vortrages und den der Vorträge der letzten 15 Jahre durchdenke, scheint es möglich, dass man denken könnte, dass es sich auch hier um das gewöhnliche Verfahren (oder um die gewöhnlichen Techniken) eines Forschers handelt: Das alte Thema erscheint immer im neuen Gewand.

In Wirklichkeit vertreten diese Vorträge und auch die Publikationen sowohl inhaltlich (also in Bezug auf das Quellenmaterial) als auch konzeptionell wesentliche Veränderungen, obwohl das in den Titeln nicht gezeigt wird.

Das letzte Kapitel der im Titel zitierten Arbeit ist Die „Persophonie“ als thematischer Rahmen für iranistische und islamwissenschatfliche Forschungsaufgaben. In diesem Sinne möchte ich die Fragen zusammenfassen, die mich in der vergangenen Zeit beschäftigt haben, zu denen ich durch die oben erwähnte Arbeit angeregt, oder zu deren Weitererforschung ich durch sie bewegt wurde.

 

Der Ausgangspunkt und die ersten Fragen entstammten der Unterrichtspraxis des Persischen: Welche Sprache soll man unterrichten, die klassische oder die moderne? Soll man sie zusammen oder unabhängig voneinander unterrichten? Darf man zwei theoretisch und praktisch sehr schwer trennbare sprachgeschichtliche Perioden auseinanderhalten, und wie weitgehend gehört es dazu, über Kenntnisse des Mittelpersischen zu verfügen?

Die klassische Sprachgeschichte hat ungenügende Antworten auf diese Frage gegeben. In Wirklichkeit stand die Untersuchung der alten (d.h. der alten Philologie) im Mittelpunkt der Forschung, und in den neueren sprachgeschichtlichen Perioden wurde das Fortleben des Alten in der Veränderung der Lautlehre und Wortformen, der Morphologie und der Satzlehre gesucht. Ich behaupte das trotz der Entstehung moderner synchronischer Beschreibungen sowohl des Persischen als auch anderer moderner iranischer Sprachen. Diese Werke haben aber die Hauptfrage umgangen: Wie funktionierte diese reiche Mischung der oft untrennbaren Sprachschichten, das Gemisch der vergangenen tausend Jahre im Iran?

Anders ausgedrückt: Was denken die Perser über ihre Muttersprache und über deren Geschichte, und bis zu welchem Grad sind sie sich der sich vollziehenden Veränderungen der Sprache bewusst?

Das sprachliche Bewusstsein war das Hauptthema des 44. Wolfenbütteler Symposions unter dem Titel Regionalität und Bewusstseinsbildung in der Vormoderne: Okzident und Orient im Kulturvergleich in 1998.

Bei dieser Konferenz war der Titel des Vortrags von Bert Fragner „Sprachliches und ethnisches Selbstbewusstsein im spätmittelalterlichen islamischen Osten“. Ich wurde von ihm gebeten, den folgenden Vortrag zu halten: Was ist Persisch? Ethnische und grammatikalische Perzeptionen einer ‚islamischen‘ Sprache.

Ich muss eingestehen, die Aufgabe war mir nicht völlig klar, weil ich mich früher hauptsächlich mit der Geschichte der grammatischen Literatur befaßt hatte, und zwar im Rahmen der traditionellen deskriptiven und historischen Sprachwissenschaft.

 

Das Wolfenbütteler Symposium stellte sich als das unmittelbare Antezedens der in der Persophonie behandelten Fragen dar.

Später hat mich hauptsächlich die Frage beschäftigt, was für einen sprachwissenschaftlichen Inhalt die metaphorischen Ausdrücke wie „islamisch“ und „islamisiertes Persisch“ haben könnten. Die Umstände und die Einzelheiten der frühen Einwirkung der arabischen Sprache, hauptsächlich des arabischen Wortschatzes sind bekannt. Die tiefere Geschichte der Rezeption der zum größten Teil von Persern und Iranern gepflegten arabischsprachigen Wissenschaften erklärt aber auch die Probleme des Sprachgebrauches.

 

Das erklärt, warum ich mich an die einheimische Tradition gewendet habe. Ich versuchte dort Quellen zu finden, die die Rekonstruktion des sprachlichen Bewusstseins ermöglichen. So fing ich an, die „älteste persische Grammatik“, die unter dem Titel „Die persischen Regeln“ von Iravani in Tabriz 1846 geschrieben wurde, zu untersuchen, die in der Bibliographie des seligen Iraj Afshar aufscheint.

Das war schon 1994 Gegenstand meines ersten Vortrags in Bamberg. Zu jener Zeit dachte ich mir, die Quellen dieses Werkes in der persischen lexikographischen Literatur finden zu können.

 Heute habe ich eine andere Meinung.

Das heterogene Material der Lexikographie bietet Beispiele, die auf Arabisch geschriebene Wissenschaften wie Logik und noch mehr Grammatik verweisen. Ich vermutete aber, dass sich diese logische und grammatische Denkweise schon in den ältesten poetischen Handbüchern finden lässt. Die Bedeutung der poetischen Technik der frühislamischen (persischen) Texte besteht darin, dass – mangels einer selbständigen grammatischen Wissenschaft – sie als Quelle zur Rekonstruktion der bewussten und von mir als „verborgen“ genannten grammatischen Kenntnis dienen kann.

Die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Poetik (im engeren Sinne: Reimlehre und Prosodie) und Grammatik führte zu neuen Schlussfolgerungen.

Einerseits hat diese Forschung gezeigt, dass die Aneignung der persischen Dichtkunst auch die bestimmte Kenntnis der phonologischen Basis und der Morphologie der Sprache voraussetzte.

Andererseits verhalf sie mir anhand konkreter Beispiele zu einer tieferen Auffassung des Einflusses der arabischen Wissenschaften und zur Klärung der Einzelheiten in verschiedenen Gebieten.

Hier möchte ich das Beispiel der frühen klassischen Dichtkunst kurz anführen. Die literarische Kunsttechnik, ihre Theorie und Praxis folgen unbestreitbar dem arabischen Beispiel. Das ist eine wohl bekannte Tatsache. Die Übernahme der arabischen Einflüsse bedeutet aber keine sklavische Nachahmung oder eine leere Imitation.

Ich wende mich Firdausi zu:

Das Buch der Könige von der Jahrtausendwende – inhaltlich eine vorislamische Produktion – zeigt die Kenntnisse der komplizierten arabischen Prosodie und der fast völlig umgearbeiteten und auf das Persische angewandten Kunsttechnik. Diese Technik hat ihre Wurzel nicht in der iranischen Tradition der mündlichen Volksdichtung, wie man annehmen könnte, wenn man das Epos liest, das die Zusammenfassung der althergebrachten persischen Rittertradition enthält.

Die poetische Technik von Firdausi zeigt aber nicht nur eine tiefe Vertrautheit mit den arabischen Quellen, sondern auch die alleinstehende Kreativität, mit der sie angewandt wurden. Unter den klassischen Dichtern zeigen seine Reime die reichsten Varianten. All das lässt sich gut in Interessensspektrum einfügen, mit dem die Perser an der Erschaffung der arabischen Wissenschaften (z. B. Grammatik, Logik, Lexikographie, usw.) teilgenommen haben. Die Pflege der Literatur und der literarischen Wissenschaften ging aber weiter: Sie forderte dazu auf, die Muttersprache zu bedenken und zu analysieren.

Hier können wir ein eigenes System mit eigenen Prinzipien, Definitionen und Gesetzen erkennen, das oft mit Scharfsinn an die Eigentümlichkeit der persischen Sprache angepasst wurde.

Auf der fünften Konferenz der iranischen Linguistik in Bamberg im Jahre 2013 befasste ich mich mit dem Prozess der Festlegung der grammatischen Regel, und mit der Auffassung von Schrift und Rede (kitābatan - lafẓan) in getrennten Systemen.

Ein anderes schönes Beispiel des sprachlichen Bewusstseins wird durch eine Besonderheit des Persischen deutlich, nämlich durch die Behandlung der Komposita, die der indogermanischen Tradition folgen. Die Literaturwissenschaftler und Lexikographen fanden keine entsprechenden Beispiele im Arabischen, folglich mussten sie selbst die Methoden ihrer Analyse ausarbeiten. In diesem Fall gingen sie von den Regeln der Reimlehre aus: Sie legten die Methode der Analyse der Reime zu Grunde, die sie aus den frühesten Handbüchern der Poetik kennengelernt hatten, und bewahrten sie bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, wie die sogenannte Grammatik von Iravani zeigt. Wegen der Deutung mancher Termini wandten sie sich an Sibawaihi, dem persischen Doyen der arabischen Grammatik, ohne ihn zu nennen. Der Terminus der Tiefenstruktur (deep structure) der Zusammensetzung (taqdir) kann in den frühesten mittelalterlichen Handbüchern, später im Kommentar von Sudi und auch in der lexikographischen Literatur gefunden werden. Iravani geht im 19. Jahrhundert noch weiter.

In einem selbständigen Kapitel schreibt er über die klassischen Komposita als eine Eigenschaft der persischen Sprache. Hier gebraucht er wieder einen von Sibawaihi übernommenen Terminus für ihre Beschreibung: golâb (‚Rosenwasser‘), der in der Tiefenstruktur (dar taqdir) âb-e gol ist.  Iravani sagt, dass ‚das Wasser der Rose‘ eine erleichterte Form ist, eine takhfif (‚lightening‘), die ein besonderes Mittel der Poetik für sprachliche Verdichtung war.

Früher dachte ich mir, dass das den Komposita gewidmete Kapitel in einer um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Arbeit bereits den Einfluss der europäischen Quellen und Grammatiken zeigt. Die gründlichere Untersuchung der Termini weist aber darauf hin, dass ihre Wurzel im Gegenteil auf einmalige Weise auf Sibawaihi, den persischen Sprachwissenschaftler des achten Jahrhunderts, zurückgreift.

Diese tiefe Kenntnis der arabischsprachigen wissenschaftlichen Analyse, ihre schöpferische und originelle Anwendung bedeutet für mich den linguistischen Inhalt des metaphorischen Ausdrucks „islamisiert“.

Die Ausarbeitung dieser Gedanken wurde weitgehend von den kontinuierlichen persönlichen und institutionellen Beziehungen zwischen dem Bamberger Lehrstuhl und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der einen Seite und dem von mir gegründeten und vertretenen Lehrstuhl für Iranistik in Budapest auf der anderen Seite befördert.

Dazu hat später die Beziehung zwischen dem Institut für Iranistik in Wien und dem Avicenna Institut in Piliscsaba beigetragen, wo Bert Fragner mehrere Jahre als Leiter des Kuratoriums der Arbeit des Institutes geholfen hat.

Für all das sagen wir mit besonderer Ehre Dank dem hervorragenden Wissenschaftler, dem Ehrenmitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und dem persönlichen Freund an diesem Geburtstagsfest. Man darf aber seine „Weggefährtin“ Christl nicht vergessen, der Bert 1999 im Vorwort seiner Persophonie für ihr fast vierzig Jahre langes, gemeinsames Leben im Jahre Dank gesagt hat. Dazu sollen wir jetzt weitere siebzehn Jahre geben.

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